Im Zusammenhang mit der Verhütung und mit der Postmenopause werde ich oft gefragt, ob es denn nicht schädlich sei, keine oder nur eine schwache Periode zu haben. Die Monatsblutung sei doch eine Reinigung des Körpers. Es staue sich doch etwas im Körper, wenn sich dieser nicht reinigen könne. Ich versuche dann immer zu erklären, dass für das körperliche Wohlbefinden nicht die monatliche Blutung, sondern die körpereigenen Hormone wichtig sind. Wenn die Hormone in richtiger Konzentration und im richtigen Wechselspiel miteinander funktionieren, besteht bei einer Frau ein regulärer hormoneller Zyklus mit Eisprung, erster und zweiter Zyklusphase und einer Periodenblutung. Dabei ist die Periodenblutung eine Folge des hormonellen Wechselspiels und wird meistens auch problemlos (oder evt. besser mehr oder weniger problemlos) ertragen. Kompliziert wird es, wenn Sie sich vorstellen man würde Ihnen erklären, dass die Periodenblutung sehr wichtig für Ihr Wohlbefinden sei. Die monatliche Blutung wäre dann so eine wesentliche Ursache für Ihre Gesundheit. Diese Behauptung haben sie sicher auch schon gehört. Oder nicht?
Oft reicht mir während der Sprechstunde die Zeit nicht diese Zusammenhänge genügend zu erörtern und zu erklären. Es scheint mir jedoch faszinierend und interessant, wie sich jahrhundertalte Überlieferungen und Behauptungen hartnäckig bis in unsere Zeit halten. Gerne nütze ich diese Seite, um etwas näher auf diese Thematik einzugehen.
Wir stellen fest:
Es besteht noch häufig bis heute die Überzeugung, Vorstellung und folgende Ansicht: Eine Frau muss einmal im Monat eine Periodenblutung haben
Das linke Röhrchen zeigt nach der Senkung den erwähnten Überstand. Im rechten Röhrchen findet sich frisch abgenommenes Blut
Das Blutplasma mit den Thrombozyten (Blutplättchen) und den Leukozyten (weisse Blutkörperchen) gerinnt (Fähreus R. Pathologe 1938). Es bildet sich dann am Rand des geronnenen Blutes ein sogenanntes Speckhautgerinsel. Eine weissliche, an Eiter erinnernde Masse, die eben an diese „Körpersäfte“ erinnert.
Eröffnete Aorta mit innenliegendem Speckhautgerinsel
Dieses Speckhautgerinsel sowie der Überstand beistehendem Blut war schon den alten Anatomen sehr wohl bekannt. Man brauchte nur auf Schlachtfeldern oder sonstig verletzten Leichen das geronnene Blut anzuschauen. Die richtige Deutung dieses Speckhautgerinsels hat, wie Fähreus zeigen konnte, den Schlüssel geliefert zu dem, trotz aller Ungereimtheiten, imponierenden Gebäude der mittelalterlichen und antiken Medizin. Beim genaueren Betrachten dieser Phänomene, ohne unser heutiges Wissen, lag es auf der Hand gewisse logische Schlüsse zu ziehen, auch wenn diese, gemäss aktuellem Wissensstand falsch waren. Diese weisslich- eitrige Masse bzw. das Speckhautgerinsel wurden damals anderen, ähnlich aussehenden „Körperflüssigkeiten“ gleichgesetzt, was ohne Mikroskop und ohne Gerinnungsphysiologisches Wissen durchaus plausibel erscheint. Plötzlich wurde den damaligen Ärzten und Gelehrten klar wie sich viele der oben aufgezählten Feststellungen begründen liessen. Der logische Schluss war, dass sich im Blut gewisse krankmachende Substanzen befänden, welche nach deren Entfernung (Ablassen von Eiter bei einem Abszess, Abhusten von eitrigem Schleim bei einer Bronchitis etc.) dazu führten, dass sich der Körper erholen und gesund werden kann. Es war plötzlich klar, weshalb es den Frauen vor der Periode schlechter ging als nachher. Es wurde klar, weshalb es den Frauen zu Beginn einer Schwangerschaft schlecht ging und nach der Geburt mit dem Blutverlust eine Besserung eintrat. Wieso Frauen nach der Menopause unter Wallungen, Depressionen, Schlaflosigkeit und vielem mehr litten. Immer kam es beim Wegbleiben der Periode einer Frau zu Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten schienen einen Zusammenhang mit dem Blut zu haben. Sobald eine gewisse Menge Blut abfloss, kam es zur Besserung. Und im Blut meinte man den Übeltäter, das Speckhautgerinsel und den gelb - weisslichen überstand bei der Blutsenkung, gefunden zu haben.
Dieser Fehlschluss hatte für viele Menschen in früheren Zeiten fatale Folgen. Nicht weil falsch beobachtet wurde oder zu damalige Zeit nicht logisch gedacht worden wäre, sondern weil man viel mehr Ursache und Folge durcheinanderbrachte. Eine Periodenblutung ist die Folge eines normalen Zyklus einer gesunden Frau und nicht die Ursache oder der Grund für deren Wohlbefinden. Es braucht also nicht eine Periode, um gesund zu bleiben, sondern man hat als gesunde Frau normalerweise eine Periode. Bei der Verhütung, den Wechseljahren sowie der Schwangerschaft kommen viele andere Überlegungen und Erkenntnisse dazu, um den richtigen Weg zu finden.
Dieser Fehlschluss führte dazu, dass über Jahrhunderte Aderlässe vorgenommen wurden. Das Schröpfen und Ansetzen von Blutegeln oder sonstige blutvermindernde Handlungen dürften wohl noch haute auf solche Überlegungen zurückzuführen sein. In früheren Zeiten lag es nahe, dass gerade die am meisten ärztlich betreuten Frauen vermehrt unter diesem Fehlschluss zu leiden hatten. So ist es heute verbürgt, dass bei den drei Frauen von Philipp dem II von Spanien (1527 – 1598) während der Schwangerschaft so viel Blut abgelassen wurde, dass sie der natürlichen Blutung bei der Geburt nicht mehr gewachsen waren und anschliessend im Wochenbett verstarben.
Philpp II von Spanien 1527 - 1598
Mit dem heutigen Wissen gibt es keinen Grund die früheren Gelehrten zu belächeln, denn das Wissen und auch die ganze Technik war noch nicht so weit. Vielmehr scheint es mir interessant, dass auch in unserer Zeit sich die oben geschilderten Überzeugungen zu Teil noch hartnäckig halten. Gerne verweise ich diesbezüglich auf ein lesenswertes Büchlein mit dem Titel „Die unpässliche Frau“ aus dem Mabuse – Verlag. Es wird dort unter anderem festgehalten, dass es in einem Pharmakologiekonzern in Deuschland bis 1970 üblich war keine Frauen anzustellen, weil sie während der Periodenblutung „unrein“ seien.
Literaturnachweis:
- Manfred Vasold: Philipp II, ro ro ro – Verlag 2001
- S. Hering / G. Maierhof: Die unpässliche Frau, Mabuse – Verlag, 2002
- Herwig Hamperl: Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie
28 Auflage, Springer Verlag, 1966